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Mundus vult decipi

Es begab sich aber in jenen Tagen, dass ein Erlass des Herrschers erging ein jeder müsse sich schätzen lassen.

So ging ein jeglicher in seine Stadt, um diesem Befehl Folge zu leisten.

Auch Josef genannt Jo, und seine hochschwangere Verlobte Maria, die sich Mia rufen ließ, machten sich auf den Weg in die Stadt ihrer Heimat, um sich zählen zu lassen.

Es war ein anstrengender Trip, und sie waren voller Sorge über das, was in der Zwischenzeit dort und auch anderswo geschehen war.

Die Verwüstungen des Krieges waren unübersehbar, und Rauch des Zerfalls lag über dem ganzen Land.

Die zwei Reisenden lebten jedoch von der Hoffnung, dass alles von nun an besser werden würde für das Volk, für sie und vor allem für das Kind, welches Mia unter ihrem Herzen trug.

Alles hatten sie verloren, und vielleicht war es gerade dieses Leid welches sie zusammenschweißte.

Sie wussten, jeder für sich alleine wäre an der Trauer, dem Schmerz und an der Ungewissheit was die Zukunft bringen würde, zugrunde gegangen.

Nur im Beisammensein konnten sie sich Kraft geben für das einzige was sie noch hatten, den Willen zu überleben!

Als sie über viele Schleichwege hinweg an die Tore ihrer Stadt kamen waren alle Zelte die von Hilfsorganisationen bereitgestellt worden waren überfüllt, und sie fanden keinen Platz.

Ihnen wurde etwas Wasser und Brot gegeben, mehr konnte man nicht für sie tun.

So zogen sie weiter.

Endlich fanden sie einen Stall, und Mia gebar ihren Sohn, wickelte ihn in ihr Kopftuch und

legte ihn in eine Krippe.

Plötzlich hörten sie Geräusche und Jo ging hinaus um nachzusehen woher der Lärm rührte, Mia verharrte voller Angst neben ihrem Kinde.

In diesem Moment schaute ein Esel zu einem der zerbrochenen Fenster hinein, und als Mia sich ihm näherte gewahrte sie in einiger Entfernung einen Ochsen der versuchte an dem spärlich wachsenden Gras seinen Hunger zu stillen.

Die Angst in ihr verschwand und machte der Sorge Platz, der Sorge um ihren Geliebten, den Vater ihres Kindes, dessen Rückkehr sie so sehnlich erwartete.

Sie setzte sie sich an die Krippe und begann zu beten.

Der Lärm einer Detonation ließ sie zusammenschrecken, das Kind begann zu weinen.

Mia nahm es in ihre Arme, wiegte es zärtlich, schloss sodann die Augen und beide, Mutter wie Kind versanken durch diese rhythmischen Bewegungen in tiefste Ruhe und Harmonie. Was sie nie erfahren würden:

Zur gleichen Zeit trat Jo auf eine Landmine, die ihm beide Beine abriss, sodass er binnen kürzester Zeit verblutete.

 

Und in derselben Gegend waren Hirten auf dem Felde, die ihre verstreuten Herden suchten. Vergeblich, die Soldaten hatten alle Schafe getötet!

Es wurde Nacht, doch die Männer hüteten sich ein Feuer zu machen.

Plötzlich ward der Himmel hell erleuchtet.

Aus Angst davor rückten die Hirten ganz dicht zusammen, doch einer sprach:

„Fürchtet euch nicht, es sind nur die Leuchtraketen, die den Flugzeugen den Weg weisen.“

Er irrte!

Das letzte was Mia sah, war ein strahlender Schweif am Himmel, dann schlug die Bombe mitten in den Stall!

 

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Kommentare: 8
  • #1

    Schorries, Marieta (Sonntag, 03 Dezember 2023 07:16)

    Gebannt lese ich diesen Text.
    Erschreckend.
    Es hat sich nicht's verändert.

  • #2

    Uschi Hammes (Sonntag, 03 Dezember 2023 08:22)

    Genau darum schrieb ich ihn, genau darum!
    Herzlichen Dank, Marieta

  • #3

    Ulrike (Montag, 04 Dezember 2023 08:42)

    Danke für diesen Text, er ist grauenhaft und entspricht dem, was zur Zeit passiert.

  • #4

    Beatrice Raue (Montag, 04 Dezember 2023 11:47)

    Eine spannende Geschichte, die ich unbedingt zu Ende lesen wollte, denn ich wartete darauf, dass wie in der Bibel alles gut gehen würde. Ich wartete auf die Heiligen Drei Könige mit ihren Gaben! Doch heute kann die Geschichte so nicht mehr ausgehen. ..... und ich frage mich, wer gibt den Befehl, einfache Menschen zu bombardieren und was genau geht in ihnen vor? Danke Uschi für diesen zeitgemässen Bericht!

  • #5

    Uschi Hammes (Montag, 04 Dezember 2023 12:24)

    Ich danke Dir für Deine Gedanken und Worte, Beatrice . Es scheint so, dass die Menschen immer mehr den Sinn ihres Daseins verlieren - ihn auch nicht mehr suchen, da Verwirrtheit, Angst und die immense psychische Last wächst und wächst und ihnen die Kraft raubt. Es gibt kein: Bis hierher und nicht weiter mehr!

  • #6

    Uschi Hammes (Montag, 04 Dezember 2023 12:38)

    Ich danke Dir sehr fürs Lesen, Ulrike. Längst herrschen andere Götter, die sich den Menschen untertan machen: Gier, Macht und Neid - das Dreigestirn des Untergangs, gepaart mit unfassbarer Dummkeit, und darin liegt die Gefahr.

  • #7

    Helmut Maier (Mittwoch, 06 Dezember 2023 15:46)

    Es ist eine sehr traurige Weihnachtsgeschichte: ohne Ausweg, ohne Zukunft, irgendwie trostlos. Aber sehr ansprechend. Nein, das darf nicht das Ende sein!

    Helmut

  • #8

    Uschi Hammes (Donnerstag, 07 Dezember 2023)

    DANKE Dir, Helmut Maier!